So lang getrennt von meinen Lieben,
hat mich die Sehnsucht heimgetrieben.
Ich wollte meine deutschen Gauen
und seine Wälder wieder schauen.
Wo ist der stolze Buchenhain?
Der dunklen Tannen lange Reihn?
Der Eichwald in den heilgen Gründen?
Ich konnte sie nicht wieder finden.
Wohl hie und da ein hoher Baum
im weiten, weiten Waldesraum.
Nur junge Bäumchen reckten sich
und suchten nach dem Sonnenlicht.
Ich hörte keinen Amselschlag,
die Drossel nicht im grünen Hag;
ein Rehlein huschte scheu vorbei,
als wenn’s hier nicht zu Hause sei.
Und traurig will auch ich mich wenden —
da seh ich über Felsenwänden
die Krone eines Eichbaums ragen:
Das war ein Baum aus Odins Tagen,
sein Fusz stand fest im tiefen Tal.
Und wie ich ehrfurchtsvoll mich neige,
da tönt es durch die weiten Zweige:
„In grauen Zeiten, Wandersmann,
als Wotan herrschte im Walde,
da zog ein Zweig von diesem Stamm
in weite, neblige Lande.
Der Zweig schlug Wurzel und ward stark,
es war ein Zweig aus deutschem Mark.
Doch bald verlor er unsre Sitten,
vermischte sich mit Kelt und Briten,
versucht das Weltall zu bezwingen
mit seinen Fallen, seinen Schlingen.
Ihn freut nicht mehr der Vöglein Sang,
Gefühl ist ihm ein hohler Klang
und was der andern Brüder Zier,
verspottet er in seiner Gier.
So hub er gar die Frevelhand
und stach sein altes Ahnenland.
Sieh diese Wunden, die er schlug,
und was mein armer Wald ertrug.“ —
Da rauscht es lauter in den Zweigen,
die jungen Bäume still sich neigen
und lauschen auf des Alten Wort:
„Ich segne Dich, Du junges Grün,
aus Deinen Wurzeln wird erblühn
ein groszes, schönes Vaterland!
Doch, der Dir diese Wunden schlug,
er falle — höret meinen Fluch!“
Otto Koch