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DIE DEUTSCHEN RIESEN

Clara L. Nicolay


Ein Volk mit Riesenkräften,

blauäugig, hünenstark,

ein Volk gleich Eichenschäften,

von Eisen, Sehn und Mark,

das nie zu krummen Taten

das gerade Wort verschiebt,

das nie den Freund verraten,

das nie dem Feind vergibt!


Aus Deutschlands Waldgefilden

schrieb’s Romas weicher Sohn.

Doch sage, sind die wilden,

die Riesen ganz entflohn?

Verscheucht von feilen Zwergen,

dem Volk, das kriecht und duckt,

bereit sein Haupt zu bergen,

wo Schwerterklinge zuckt?


Wer wagt solch schnödes Fragen?

Wer lauscht solch eitlem Trug?

Die deutschen Kämpen schlagen

noch heut wie Hermann schlug!

Weh, wem von deutschen Bracken

sein fränkisch Wams zerzaust;

wem steifen Britennacken

beugt deutsche Riesenfaust!


Spürh auf in hellen Funken,

Du wackrer deutscher Stahl,

vom Feindesblute trunken,

des Todes Wetterstrahl!

Wo Fahnenfetzen flattern

laut singt der Riesenmund:

Diskant — Musketenknattern,

Basz — Der Kanonen-Schlund!


Es gellt vom Fels zum Meere;

da folgt des Wächters Horn

hoch ragend — Deutschlands Ehre,

scharf schlagend — Deutschlands Zorn!

Der fromme deutsche Glaube

gestärkt im Siegesdrang,

nicht rastend, bis zum Staube

den letzten Feind er zwang.


Doch — wie vom lichten Himmel

sich stürzt der Königsaar,

so bricht durchs Schlachtgewimmel

das letzte Riesenpaar.

Das alte, ewig neue,

das nie die Seinen mied:

Ein Weib ist’s: Deutsche Treue —

Ein Jüngling: Deutsches Lied!


Ziehn einst die Heldenscharen

zur Heimat ruhmgekrönt,

und schmetternder Fanfaren

Triumphgesang ertönt:

Verkünden Siegesboten

des Reiches Macht und Pracht —

still hält bei ihren Toten

dann deutsche Treue Wacht.


Clara L. Nicolay.



Nicolay, Clara. “Die deutschen Riesen.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 75-76. New York: F. C. Stechert, 1915.


Nicolay, Clara. “Die deutschen Riesen.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 75-76. New York: F. C. Stechert, 1915.

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Aus Deutschlands Waldgefilden

Arminius (18/17 BC—21 AD), also known as Hermann, chieftain of the Cherusci, led an alliance of Germanic tribes to defeat three Roman legions in the Teutoburg Forest in 9 AD, preventing the Romanization of the Germanic peoples.


“Arminius.” In The Oxford Companion to Classical Literature, edited by M. C. Howatson. Oxford University Press, 2011. https://www.oxfordreference.com/view/10.1093/acref/9780199548545.001.0001/acref-9780199548545-e-0336.

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der Königsaar

The heraldic eagle used by German emperors during the Holy Roman Empire and by Imperial Germany.

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still hält bei ihren Toten

The final two lines in this poem recall the refrain in the jingoistic “Die Wacht am Rhein,” written by German Max Schneckenburger (1819–49) in response to the Rhine Crisis of 1840, which broke out when France threatened to mobilize its military and reclaim all territory west of the Rhine: “Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, / Fest steht und treu die Wacht am Rhein.”


Schneckenburger, Max. “Die Wacht am Rhein.” In Deutsche Lieder: Auswahl aus seinem Nachlass, 19–20. Stuttgart, 1870. https://hdl.handle.net/2027/uc1.b3148536?urlappend=%3Bseq=27.