„Lieber Vater, warum wirst Du traurig.
wenn vom groszen Krieg ich sprechen will,
den mit Deutschland wir so kürzlich hatten?
Sag, mein Vater, warum wirst Du still?
Waren es nicht grosze Heldentaten,
die zu Wasser wir und Land vollbracht?
Hab in Büchern ja soviel gelesen,
wie die Briten es so brav gemacht!“
„Ja, mein Sohn, die Briten waren tapfer,
doch sie kämpften für ein traurig Ziel;
dasz an Recht wir und an Wahrheit glaubten,
war ein leeres, eitles Gaukelspiel.
Eifersucht war unsrer Fehde Ursach,
Neid der einzig wahre Grund zum Krieg,
und wenn Miszgunst, Neid und Hasz nur herrschen,
nimmer wird der Kampf gekrönt vom Sieg.
Durch Jahrhunderte in Frieden lebten
Angelsachsen wir mit deutschen Vettern,
keine Ränke eifersüchtger Feinde
konnten unser Freundschaftsband zerschmettern.
Deutsche Kunst und deutsche Wissenschaften
waren hochgeehrt in unsren Kreisen,
andachtsvoll und innig lauschten Briten
deutscher Meister seelenvollen Weisen.
Noch vor kurzen fünfundfünfzig Jahren
war das deutsche Land geteilt, zerstückelt,
doch es hat mit riesenhaften Schritten
sich zum starken Deutschen Reich entwickelt.
Handel, Industrie und alle Künste
blühten, wie von Zaubermacht durchdrungen.
Was vergangene Geschlechter träumten,
staunend sah der Deutsche es gelungen.
Staunend ja, jedoch mit scheelen Augen
blickte England auf den jungen Recken;
statt bewundernd kraftvoll nachzueifern,
lieszen wir nur Neid in uns erwecken.
Und so kam es, dasz, bevor wir’s ahnten,
Kriegeswetter stand am Horizonte.
England hielt Europas Wohl und Wehe,
England war’s, das Frieden halten konnte.
Niemand fragte uns, das Volk der Briten,
ob den Krieg wir wollten oder Frieden.
Die, die uns regierten, wollten Krieg,
hatten längst sich schon zum Krieg entschieden.
Schaurig war der Krieg: Wohl Millionen
in des Lebens Blüte hingerafft;
ganze Länder öd, zerstört, verwüstet,
alle Lebenskraft dahin, erschlafft.
Manche Lorbeern haben wir errungen,
opferfreudig waren unsre Krieger,
doch vergebens waren alle Opfer:
Deutschlands tapfre Söhne blieben Sieger!
Doch das ist es nicht, was wir beweinen,
andere Dinge sind’s, die wir beklagen:
Tief im Innern sind Gewissensbisse,
die am Herzen vorwurfsvoll uns nagen,
dasz wir Zwietracht säten unter Brüdern,
dasz die weisze Rasse wir verrieten,
dasz zerstören wir und brennen wollten,
wo Kultur und Wissenschaften blühten;
dasz von Asiens fernen, wilden Steppen
wildes Volk wir holten, schwarze Horden,
gelbe Räuberscharen, die wir zahlten,
unsre weiszen Brüder zu ermorden:
Das, mein Sohn, das macht mich ewig traurig,
treibt die Schamröt’ immer zum Gesichte,
macht mich zittern vor dem Fluch der Völker
und dem Urteilsspruch der Weltgeschichte!“
Isidor Frank