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WEIHNACHTEN 1914

Friedrich Fiedel


Weihnachten . . . Die Glocken klingen —

schneebedeckt ist Park und Hain,

aus den Fenstern aller Christen

strahlt so hell der Kerzen Schein.

In den Zimmern duftet harzig

tannengrüne Herrlichkeit,

und der Jugend Augen leuchten —

und die Herzen werden weit:

All dies Glück ist dort beschieden,

wo er wohnt, der sel’ge Frieden!

Doch — wo Schwert und Lanzen klirren,

Mörser speien, Kugeln schwirren,

Rosz und Reiter stürmt zum Sieg:

Wohnt der Schrecken — wohnt der Krieg.


Weihnachten . . . In Schützengräben

liegt die Welt in starrer Wehr,

Hasz und Wut im Angesichte

kämpfet blutig Heer mit Heer.

Brüllend donnern die Kanonen,

schleudern rings ihr tödlich Blei . . .

Und der Friedensengel weinet,

still lenkt er den Schritt vorbei . . .

Kann nicht bringen heut hienieden

höchstes Menschenglück: Den Frieden.

Denn wo Schwert und Lanzen klirren,

Mörser speien, Kugeln schwirren,

lodert haszerfüllt der Krieg,

stürmt der Höllenfürst zum Sieg!


Weihnachten . . . Wer heut in Frieden

darf um seinen Christbaum stehn,

wer das Fest der Nächstenliebe

so gesegnet kann begehn,

knie’ froh mit all den Seinen

nieder um den Tannenbaum,

und er sende im Gebete

seinen Dank zum Himmelsraum,

dasz ihm Gott der Herr beschieden

höchstes Menschenglück: Den Frieden.

Denn wo Schwert und Lanzen klirren,

Mörser speien, Kugeln schwirren,

Rosz und Reiter stürmt zum Sieg,

wohnt der Schrecken — wohnt der Krieg.


Friedrich Fiedel



Fiedel, Friedrich. “Weihnachten 1914.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 78-79. New York: F. C. Stechert, 1915.


Fiedel, Friedrich. “Weihnachten 1914.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 78-79. New York: F. C. Stechert, 1915.

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