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ZWEI KRIEGER

Johanna Nicolai


Es kehrten zwei Krieger heim aus dem Krieg.

sie halfen erringen den herrlichen Sieg;

sie hatten gekämpft für den heimischen Herd

und sich als wackere Kämpen bewährt.


Der eine reitet auf stattlichem Rosz,

er hält vor dem prächtigen hohen Schlosz;

am Tore prangt Wappen und Adelskron’:

Der Krieger war eines Grafen Sohn.


Und als er schreitet den Hof entlang,

da vernimmt er Musik und Becherklang,

und er fragt die Diener, welch’ Fest hier sei?

„Es hat sich der Graf vermählt aufs neu!“


Und der junge Krieger die Augen senkt,

und der lieben verstorbenen Mutter gedenkt.

Dann tritt er hinein in den Ahnensaal

und findet ein glänzendes Hochzeitsmahl.


Als der Vater den prächtigen Sohn erblickt,

da hat er ihn jubelnd ans Herz gedrückt.

Mit Stolz und mit Freude er auf ihn schaut:

„Nun komm auch, mein Sohn, und grüsz meine Braut!“


Und todbleich, das Auge von Tränen getrübt,

steht sie vor ihm, die er selber geliebt,

im bräutlichen Schleier und Myrthenkron’:

Das war der Empfang von des Grafen Sohn.


Der andere Krieger, mit fröhlichem Sinn,

eilt schnell zu der kleinsten Hütte hin.

Er tritt zu der niedern Türe herein:

Da sitzt sein herzliebes Mütterlein.


Sie sitzt von der Türe abgewandt,

drum hat sie nicht gleich den Sohn erkannt,

doch da sie vernimmt seiner Stimme Ton:

„O Jesus Maria!   Das ist mein Sohn!“


Und was der Sohn, was die Mutter empfand,

das macht kein Wort, keine Sprache bekannt.

Sie drückt ihn still an die treue Brust,

und weinet Tränen der seligsten Lust.


Errötend blickt auf die beiden hin

die liebliche Tochter der Nachbarin.

Der Krieger ruft wonnetrunken ihr zu:

„Mein Schatz, Du mein Leben, gegrüszt seist auch Du!“


Und er faszt sie kühn um den schlanken Leib,

„Du Liebe, Du Holde! Nun wirst Du mein Weib,

nicht kehr ich zurück, wie ich fortging, so leer:

Da seht diesen Beutel vom Golde so schwer.


Es gelang mir zu retten des Grafen Sohn,

da drang er mir auf so reichen Lohn,

nun hab ich genug für uns alle drei

und wir bleiben vereint in Liebe und Treu!“


Und die Mutter die Hände falten tät,

und kniete nieder zum frommen Gebet,

sie sandte es auf zu Gottes Thron:

Das war der Empfang von der Witwe Sohn!


Johanna Nicolai.



Nicolai, Johanna. “Zwei Krieger.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 88-89. New York: F. C. Stechert, 1915.


Nicolai, Johanna. “Zwei Krieger.” In Aus ruhmreicher Zeit: Deutsch-amerikanische Dichtungen aus dem ersten Jahre des Weltkrieges, compiled by Irving T. Sanders, 88-89. New York: F. C. Stechert, 1915.

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