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Morgenrot!

(Erinnerung an das Jahr 1870.)

Julius Segall


Morgenrot, Morgenrot!

Leuchtest mir zum frühen Tod . . .”


Oft in meinen Träumen hört ich

Dieses alte, wehe Lied,

Und ich war ein Knabe wieder,

Von Begeistrung hell durchglüht.


Sah im Geist die jungen Burschen

Singend ziehen in die Schlacht,

Aus des Lebens Morgenröte

In des Todes kalte Nacht.


Viele Jahre sind entschwunden

In der Zeiten langem Raum;

Alles, was das Kind erlebte,

Schien dem Manne nur ein Traum.


Mit Entsetzen seh ich heute,

Wie die Dummheit hassend siegt,

Und wie Klugheit und wie Liebe

Stöhnend in dem Staube liegt.


Aus dem Gellen der Trompete

Und dem dumpfen Trommelklang

Höre ich im Geiste wieder

Jenen alten, wehen Sang:


“Morgenrot, Morgenrot!

Leuchtest mir zum frühen Tod . . .”



Segall, Julius. “Morgenrot!” In Gedichte, 9–10. Milwaukee: self–published by Julius Segall, 1915.


Segall, Julius. “Morgenrot!” In Gedichte, 9–10. Milwaukee: self–published by Julius Segall, 1915.

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das Jahr 1870

Reference to the Prussian victory over France in the Franco–Prussian War of 1870–1871.

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Morgenrot, Morgenrot!

Segall borrows this epigram from “Reiters Morgengesang” (1824) by Wilhelm Hauff (1802–27), which begins: “Morgenrot! / Leuchtest mir zum frühen Tod? / Bald wird die Trompete blasen, / Dann muß ich mein Leben lassen / Ich und mancher Kamerad.”


Hauff, Wilhelm. “Reiters Morgengesang.” In Gedichte des neunzehnten Jahrhunderts, gesammelt, literargeschichtlich geordnet und mit Einleitungen gesehen von Karl Kinzel, 159. Halle, 1905. https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b605709?urlappend=%3Bseq=181.