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Gespenster.

Julius Segall


Klar ist und mild die Frühlingsnacht,

Der Friedhof träumt in Mondespracht,

Es glänzen weisse Leichensteine,

Mit Gräbern bin ich ganz alleine.


Da spricht zu mir ein leiser Wind:

“Die Toten wohl zufrieden sind.

Die sich gehasst in bösen Stunden,

Nun Frieden haben sie gefunden.”


Doch was ist das — weckt mich ein Traum?

Was ich jetzt seh — ich fass es kaum:

Es tanzt voran der Toten Meister,

In Scharen folgen ihm die Geister.


Ein Lärm erschallt — mir wird so bang. —

Sie tanzen zu der Fiedel Klang. — —

Wo soll ich hin, wo mich verstecken?

Wenn mich die Geister nun entdecken! —


Jetzt dringen zweie auf mich ein —

Der eine gross, der andere klein.

Der Lange ruft: “Den lass uns fragen,

Er wird gewiss die Wahrheit sagen!


Komm her zu uns, du kluger Mann,

Und schau uns einmal gründlich an!

Wer war der Bettler, wer der König?

Wer war einst viel und wer war wenig?”


Ich fasse Mut und laut sag ich:

“Du warst der König sicherlich!

Ich kann es ganz genau erkennen,

Drum will ich Majestät dich nennen!“


Da schreit der Kleine wutentbrannt:

“Du Lügner, stirbst von meiner Hand!

Ich war einst König, als ich lebte,

Und dieser Lump vor mir einste bebte!”


Der Herrscher tobte fürchterlich! — —

Von diesem Lärm erwache ich.

Da lacht der Mond vertraut durch Fenster:

“Du Narr, was siehst du denn Gespenster?”



Segall, Julius. “Gespenster.” In Gedichte, 59–60. Milwaukee: self–published by Julius Segall.


Segall, Julius. “Gespenster.” In Gedichte, 59–60. Milwaukee: self–published by Julius Segall.

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